Die fünf Grundpflichten – Pênc ferzên heqîqetê

Art. Nummer Autor Datum
3 Hayrî Demir 13.06.2011

Allgemeines

„Fünf Grundpflichten“, kurd. „Pênc ferzên heqîqetê“.

Die „Fünf Grundpflichten“ der Êzîden richten sich an jeden einzelnen Êzîdî als auch an die Gemeinschaft als Kollektiv. Diese Regeln sind mit der gesellschaftlichen Struktur der êzîdischen Gemeinschaft inhärent, also auch mit der als „Kastenwesen“ bezeichneten Sozialstruktur. Sie gewährleisten, dass der erforderliche Austausch zwischen den Gruppen erfolgt und die êzîdîsche Religion somit auf Grund der Arbeits- und Aufgabenteilung bestehen bleiben und gepflegt werden kann.

Qewlê Şêxûbekir Şaxa 5, S. 10
Ew kilîl û ew miften e – Das sind die Schlüssel und die eindeutige Kennzeichen
Bi destê wan cinetiya vedibin e – Mit ihren Händen öffnen sich die schönsten Dinge
Her pênc ferzên heqîqetê roja axiretê jêre şehden e – Alle fünf Grundpflichten sind am Tage des Jenseits [Übergang der Seele] seine Zeugen

Erste Grundpflicht

„Anerkennung Gottes“ (kurd. „Hoste“).

Die Anerkennung Gottes als Schöpfer und oberste Macht ist die Basis, auf der die weitere Mythologie der Êzîden aufbaut. Auch sind die weiteren Grundpflichten davon abhängig, denn nach êzîdîscher Mythologie war es Gott, der jene gesellschaftliche Struktur geschaffen hat.

Zweite Grundpflicht

Betreuung durch einen Sheikh (kurd. Şêx)

Damit ist die Unterrichtung der Miriden und der Pîrs durch den ihnen zugeordneten Sheikh gemeint. Der Sheikh übernimmt Aufgaben, die nur ihm zugeordnet sind, wie z.B. die Eheschließung durch einen Peshiman (kurd. Pêşîmam), der ein Sheik aus der Gruppe der Sheikh Adanî sein muss.

Dritte Grundpflicht

Betreuung durch einen Pir (kurd. „Pîr“, dt. Weiser)

Analog zur zweiten Grundpflicht ist hier die Unterrichtung der Miriden und der Sheikhs durch den ihnen zugeordneten Pir gemeint. Die Pirs haben die Aufgabe, die êzîdîschen Religionsinhalte und gesellschaftliche Moral- und Wertevorstellungen an die Miriden und Sheikhs weiterzugeben und jene zu pflegen.

Vierte Grundpflicht

Wahl eines Lehrers (kurd. „Merebî“)

Damit ist die Wahl eines Lehrers gemeint, der unter Umständen in verschiedenen Lebensabschnitten helfend zur Seite steht, sowohl in religiöser als auch sozialer Hinsicht.

Fünfte Grundpflicht

Wahl eines Jenseitsbruders bzw. einer Jenseitsschwester (kurd. „xweh/ birayê axiretê)

Bei der Wahl einer Jenseitsschwester bzw. eines Jenseitsbruders handelt es sich um eine Person, dessen Schutzpatron (kurd. „xwudan“) im Jenseits die moralische Mitverantwortung für die Taten des Anderen im Leben zuvor mitträgt. Mit dieser Grundpflicht soll das Kollektivbewusstsein gefördert werden.