Denwanî – Die Bewohner des Dorfes

Art. Nummer Autor Datum
56  Hayrî Demir 17.01.2012

Name
Allgemeines
Siedlungsgebiete
Geschichte
Stammesklassifizierung
Zugehörige Şêx- und Pîrgruppe
Dorfpilgerstätten, kurd. Zîyaret
Webseite

Das Dorf Denwan; CC-BY-NC 3.0 by Eshat Cakar

NAME

Das Dorf erhielt seinen Namen aufgrund seines nährreichen Bodens, welcher die Bewohner im Vergleich zu denen der umliegenden Dörfer materiell bevorteilte. Denwan leitet sich aus zwei kurdischen Wörtern ab:

1. kurd. „de“ für „geben“ und
2. kurd. „wan“ für „ihnen“.

Sinngemäß bedeutet Denwan also „Das Dorf, das seine Bewohner bereichert “.
Bewohner und Nachfahren der Angehörigen des Dorfes Denwan (dt. Dänwaan) werden als „Denwanîs“ (dt. Dänwaanis) bezeichnet.

Wie bereits erwähnt, waren die Denwanîs wohlhabender als die umliegenden Dörfer, sodass sie ihr zahlreiches Vieh im Winter nicht alleine in Denwan unterbringen konnten. So ließen sie ihr Vieh im Winter über bei den êz. Dörfern in der Nähe von Nisêbîn (türk. Nusaybin) in den dort umliegenden Höhlen.

Einige dieser Höhlen hießen:

1. Qelaçê Dasika (dt. Qälatschee Daskaa)
2. Şûşanîya jêr û jor (dt. Schuschania jeer (dt. unten) uu jor (dt. oben))
3. Gelîyê Keleka (dt. Gäliiyee Käläka)
4. Metwan (dt. Mätwaan)
5. Mişawir (dt. Mischawirr)
6. Xastû (dt. Khastuu)

ALLGEMEINES

Die Denwanîs werden aufgrund ihrer Herkunft aus der Region Tur Abdin als Torîs (dt. Dorriis; Êzîden aus Tur Abdîn) bezeichnet. Dies ist keine rein êzîdische Bezeichnung, sondern bezieht sich auf alle Bewohner Tur Abdins, also auch Muslime, Christen etc.
Die Denwanîs gehören zu den Çelkan Êzîden (dt. Tschelka Êzîden).

Denwan; CC-BY-NC 3.0 BY ESHAT CAKAR

 

SIEDLUNGSGEBIETE

Das Dorf Denwan liegt in Nordkurdistan, in der Provinz Mêrdîn (türk. Mardin), im direkten Umkreis der Stadt Midyad (türk. Midyat), drei Kilometer südlich des türkischen Ortes Çayrili (Kefnas, dt. Käfnas; êzîdisches Dorf).

Das Dorf Denwan war von folgenden Dörfern umgeben:

Im Nordosten grenzte es an die Dörfer Kefnas (êzîdisch) und Qertmîn (dt. Qertmiin) (muslimisch).
Im Südosten grenzte es an die Dörfer Arbû (dt. Arrbuu) (christlich), Efşî (dt. Äfschi) (êzîdisch) und Hibab (dt. Hibaab) (christlich).
Im Süden grenzte es an die Dörfer Xerabê Ale (Kheerrabee Alä) und Xerabê Kefrê (dt. Kheerrabeee Käfree) (beide christlich).
Im Westen an die Dörfer Nihil (dt. Nhil) (christlich) und Barmus (dt. Barmis) (muslimisch).
Im Norden an die Dörfer Koçan (dt. Kotschan) (êzîdisch) und Bacin (dt. Badschn) (êzîdisch).
Alle Êzîden aus dem Dorf Denwan sind nach Deutschland emigriert. Versuche von Êzîden aus Deutschland wieder in ihr altes Dorf zu ziehen, endeten damit, dass sie von der muslimischen Bevölkerung bedroht und/oder sogar ermordet wurden. Hier ist z. B. der Fall von Zoro Elmas zu nennen, der 2006 ermordet wurde (siehe Quelle 3).

GESCHICHTE

Bekannt ist, dass Denwan vom êzîdischen Stamm der Alîreşan (dt. Aliireschan) besiedelt wurde. Die Alîreşan bildeten einen großen Stamm, dessen Angehörige bisher in den êzîdischen Dörfern Kefnas und Koçan (dt. Kotschan) lebten.

Sieben Großfamilien der Alîreşan besiedelten Denwan. Bis dahin waren sie als Nomaden in diesem Gebiet unterwegs.. Diese sieben Großfamilien waren folgende:

1. Mala Xelîl (dt. Großfamilie Kheliil)
2. Mala Azîz  (dt. Großfamilie Äsis)
3. Mala Cire (dt. Großfamilie Djira)
4. Mala Yengên (dt. Großfamilie Yängeen)
5. Mala Şemdê (dt. Großfamilie Schämdee)
6. Mala Mejdîn (dt. Großfamilie Mäjdiin)
7. Mala Bino (dt. Großfamilie Binoo)

Ein wohlhabender Axa kaufte in Denwan von den Christen mehrere Höhlenwohnungen ab, in denen diese genannten sieben Großfamilien zogen und für den Axa arbeiteten.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Xelîlê Mîşkik (dt. Khelilee Mischkik) û Telîyê Qemer (dt. Täliye Qämär) zu Besitzern dieses Dorfes ernannt.

Wie viele andere êzîdische Dörfer war auch Denwan oft Schauplatz von Massakern an der êzîdischen Bevölkerung und Austragungsort von Gefechten mit den sogenannten Axas (dt. Akhas; Großgrundbesitzern).

Immer wieder überfielen muslimische Axaverbände das êzîdische Dorf Denwan. Die Êzîden aus Kefnas standen den Êzîden aus Denwan bei den folgenden Kämpfen immer zur Seite.

Einige exemplarische Vorfälle der jüngeren Vergangenheit:

Sadûn, Sohn von Huseyin aus der Großfamilie Safê (dt. Saafee), wurde vom Axaverband Helîkê Betê (dt. Häliikee Bätee) ermordet.

Serhê (dt. Särhee) und Xelef (dt. Khäläf) wurden infolge eines Streites mit einem Muslim von dessen Familie ermordet.

Huseyin ê Remo und sein Sohn wurden von Muslimen aus dem Dorf Nibilya an der sog. Stelle „Serê ava reş“ (dt. auf der schwarzen Wasserquelle) ermordet.

Silêman (dt. Sleeman), Sohn von Osman, wurde von türkischen Soldaten im Dorf Merqiz ermordet.

Xelîlê Qûbêt (dt. Kheliilee Quubeet) und Siloyê Xelef (dt. Sloyee Khäläf) wurden am 09.12.1989 von bis heute Unbekannten in Denwan mit Maschinengewehren hingerichtet. Xelîl war rund 70 Jahre alt und konnte nur auf Krücken gehen. Menîfa, die Frau von Harfed ê Bino (Mala Safê; Großfamilie Safee), wurde bei diesem Überfall schwer verletzt.

Cemîl (dt. Dschämil), Sohn von Şiwêş (dt. Schweesch), wurde auf der Flucht nach Deutschland von Unbekannten ermordet.

Felîtê Hevdî wurde von PKK Angehörigen ermordet.

Usivê Hezîz wurde vom türkischen Staat verhaftet. 15 Tage später fand man seine Leiche.

STAMMESKLASSIFIZIERUNG
Für die Denwanîs ergibt sich folgende Stammesklassifizierung:

1. Çelka

1.1 Alîreşan

Denwan

Folgende Großfamilien sind aus Denwan und leben in Deutschland:

1. Mala Helîkê Silo, auch unter Mala Qaso bekannt (dt. Großfamilie Häliikee Siloo)
2. Mala Xelîlê Mişkik (dt. Großfamilie Khliilee Mischkik)
3. Mala Hiseynê Safê, auch unter Mala Safê bekannt (dt. Großfamilie Saafee)
4. Mala Hiseynê Harabo, auch unter Mala Harabo bekannt (dt. Großfamilie Harrabo)
5. Mala Şemdê (dt. Großfamilie Schämdee)
6. Mala Şihêb (dt. Großfamilie Schiheeb)
7. Mala Yengên (dt. Großfamilie Yängeen)
8. Mala Têlî (dt. Großfamilie Teelii)

ZUGEHÖRIGE ŞÊX- UND PÎRGRUPPE

Die Şêxê Amadîn (dt. Sheikhe Amadiin) sind die Şêxs der Denwanîs. Die Şêxê Amadîn sind eine Untergruppe der Şêxê Şêşims, diese wiederum gehören zur der einer der großen Şêx Gruppen der Şêxê Şemsanî.

Şêxê Şemsanî > Şêxê Şêşims > Şêxê Amadîn

Die zugeordnete Pîr Gruppe sind die Pîrê Pîr Al, aufgrund der Zugehörigkeit zu den Çelkan Êzîden.

ZIYARET

Die Dorfpilgerstätte, kurd. Zîyaret (dt. Siiyarät), in Denwan trug den Namen Mêrê Hereb (dt. Meeree Häräb) und war für die Älteren bestimmt.
Weiterhin das Zîyareta Kumreş (dt. Siiyarät Kumresch), dass für die Jüngeren bestimmt war.

Zîyareta Merê Hereb

 

 

 

 

 

 

 

Zîyareta Kumresh

 

 

 

 

 

 

 

BEKANNTE DENWANÎS
Ferhun Kurt, Êzîdî Forscher

Dipl.-Ing. Mejdîn Kurt, 1. Vorsitzender Ezidische Jugend e.V.

Website

www.denwanis.de ist eine Seite für alle ehemaligen Bewohner des Dorfes Denwan und/oder dessen Nachkommen. Die Seite wurde unter der Initiative von Eshat Cakar, einem kurdisch-êzîdischen Studenten, ins Leben gerufen.

QUELLEN
Ferhun Kurt, http://www.denwan.de/wsc116188023/Diroka%20Gund.html

Kemal Tolan, „Hebûn û Tunebûna Êzdiyan – Tev Romanên Zindînê“, ISBN 978-3-940997-31-9

Zentralrat der Yeziden in Deutschland, http://yeziden.de/fileadmin/yeziden/pdf/Yeziden_T_rkei.pdf

Bilder: Ferhun Kurt, http://www.denwan.de/wsc116188023/Diroka%20Gund.html
Eshat Cakar