Art. Nummer Autor Datum Aktualisierung
29 Hayrî Demir 26.08.2011

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Name
Allgemeines
Legende
Batizmî Symbol
Festablauf
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Allgemeines

Das Batizmî-Fest ist ein êzîdîscher Feiertag.  Anders als die meisten Feiertage wird das Batizmî-Fest jedoch nur von den sogenannten Çelka-Êzîden begangen. Zu den Çelka gehören vor allem die êzîdîschen Stämme aus der Region Tur Abdin, aus der Region Qamishlo sowie zahlreiche Stämme aus Shingal. Die Prozedur des Batizmî-Festes umfasst sieben Tage.

Name

Die Etymologie des Begriffes „Batizmî“ ist nicht vollständig geklärt. Chaukeddîn Issa beschreibt in seinem Buch „Das Yezidentum – Religion und Leben“, dass Batizmî in etwa mit „Täufer-Fest“ übersetzt werden kann. Dabei stützt er sich auf die griechische Sprache.

Im griechischen bedeutet „βαφτίζω“ (gelesen „Baptizm“) „taufen“. Jedoch darf hier das christliche Taufen, also die Taufe im Sinne eines Untertauchens in Wasser, nicht mit der êzîdîschen Taufe gleichgesetzt werden. Vielmehr beschreibt die „Taufe“ für Êzîden zu Batizmî, wie sie wieder in ihrem êzîdîschen Glauben gestärkt wurden. Mit den Wundertaten eines Heiligen.

Allgemeines

Der Heilige, der zum Batizmî-Fest geehrt wird, heißt Pîr Alî. Öfters wird auch die verkürzte Bezeichnung Pîyalî gebraucht. Die Bezeichnung Pîr ist eine religiöse Würde, die beschreibt, dass jene Person ein Würdenträger der êzîdîschen Religion ist. Pîr lässt sich als „weise/r, gelehrte/r Mann/Frau“ übersetzen.

Innerhalb der Pîre gibt es eine gleichnamige Gruppe, die Pîrê Pîr Al. Sie sind eine von insgesamt 40 Pîrgruppen.

Anders als viele religiöse Feste der Êzîden wird das Batizmî-Fest nicht von allen Êzîden gefeiert. Der Grund liegt darin, dass Pîr Alî während seiner Wanderung nicht alle êzîdîschen Dörfer aufgesucht hat bzw. nicht aufsuchen konnte. Die Êzîden, die das Batizmî-Fest feiern, werden als Çelka-Êzîden bezeichnet. Der Begriff Çelka (dt. Tschelka) hat seinen Ursprung ebenfalls im Batizmî-Fest und ist weder eine Stammes- oder Herkunftsbezeichnung.

Zu den Çelka-Êzîden gehören vor allem die Êzîden aus der Gegend um Tur Abdîn, im Kurdischen auch als Torîs bekannt, die Çolîs aus der Gegend um Nisêbin, einige Stämme in Qamishlo im Norden Syriens sowie aus der Shingal-Region im Nordirak.

Legende

„Er [Pîr Alî] suchte Arbeit als Schäfer bei den Mönchen eines christlichen Klosters in Tur Abdin. Die Viehherde, die er betreute, vermehrte sich erstaunlich schnell, und die Schafe wurden auch im Winter satt, obwohl kaum Nahrung vorhanden war. Dies brachte den Abt zum Staunen, so dass er einen Mann damit beauftragte, den Hirten heimlich zu beobachten, um so hinter dessen Geheimnis zu kommen. Der Mann beobachtete den Pir mit großer Aufmerk-samkeit und stellte fest, dass der Pir Gott anrief, um grünes Gras und sauberes Wasser bat und dazu mit seinem Stab auf die Erde schlug. Gott, der Allmächtige, erfüllte seine Bitte, und die Landschaft um ihn verwandelte sich in eine grüne Weide mit frischem Wasser und viel saftigem Gras. Mehrere Mönche beobachteten danach unabhängig voneinander Pir Ari, und alle berichteten dasselbe.

Der Pir suchte später in Begleitung eines Mönches die Yeziden auf, in der Hoffnung, sie in ihrem yezidischen Glauben zu festigen. Sein Können, seine Frömmigkeit und Gottesnähe stellte er dabei unter Beweis, und zwar so: Die Stämme der Yeziden hatten sich versammelt und eine Kuh geschlachtet. Nun verlangten sie von dem Pir, sie wieder lebendig zu machen. Er fügte Haupt und Leib, die getrennt waren, wieder zusammen. Dabei rief er laut: „Mit Hilfe des Allmächtigen, stehe auf, er schenkt dir zum zweiten Mal das Leben!“ Die Kuh stand auf, und fortan glaubten die Yeziden, dass er tatsächlich ein Wundertäter sei. Als Strafe für die Stämme, die an seinen Fähigkeiten gezweifelt hatten und erst nach dem vollbrachten Kuhwunder an ihn glaubten, gab er ihnen den Beinamen Çelkan – zu Deutsch: diejenigen, die eine Kuh brachten. Dieser Beiname wird noch heute gebraucht. Alle Yeziden, die in Tur Abdin bzw. um die Ortschaft Tirbe Sipi leben, werden Çelkan genannt.

Der Ort, an dem sich Pir Ari seinerzeit niederließ, ist eine große Höhle, die sich in Tur Abdin in der heutigen Provinz Mardin/Türkei befindet. Viele Menschen pilgerten zu dieser heiligen Stätte wegen ihrer Wunderkraft. Da der Heilige nur Verheiratete empfing, war die Zeremonie für unverheiratete Jungen und Mädchen demnach tabu.

Eines Tages widersetzte sich ein Mädchen, das ihm unbedingt begegnen wollte, dieser Regel. Es begleitete seine Eltern gegen deren Willen dorthin und antwortete auf die Frage, ob sie verheiratet sei, mit Ja. Als zusätzlichen Trick hatte es einen länglichen Stein mitgenommen, den es vorher in ein Tuch eingewickelt hatte. Alles sollte so aussehen, als hätte es bereits ein Kind. Bei der Ankunft der Familie zeigte der heilige Pir Ari mit dem Finger auf das Mädchen und sagte: „Meine Tochter, bringe dein Kind zu mir, damit ich es im Namen des Allmächtigen und seines Engel Tausi-Melek taufen kann!“ Das Mädchen lächelte ihm zu und sagte mit zitternder Stimme: „Vater, dies ist kein Lebewesen, es ist ein Stein. Ich wollte dich unbedingt sehen. Mir blieb keine andere Wahl als eine Ehe vorzutäuschen.“ Der Heilige wiederholte seine Worte und forderte erneut das Mädchen auf, zu ihm zu gehen. Beim dritten Mal reichte ihm das Mädchen den eingewickelten Stein. Als Pir Ari das Tuch entfernte, lag da erstaunlicherweise ein kleiner Junge.[1]

Batizmî Symbol

Pîr Alî hinterließ bei den Êzîden ein aus vergoldeter Bronze gefertigtes Symbol in Form eines Schafbockes. Dieses Symbol ist im Besitz der Feqîr-Familie mit den Namen „Zaro“[2]. Die Feqîrê sind Asketen und Wanderprediger der êzîdîschen Religion. Ihre Würde ist mit einer hohen Anerkennung verbunden.

Festablauf

Das Batizmîfest umfasst eine siebentätige Prozedur:

Der Sonntag ist der erste Tag. Es ist der Tag der Reinigung, bei der die Wäsche und das Haus vollständig gereinigt werden.

Von Montag bis Mittwoch wird gefastet. Am Mittwoch wird dann ein Schaf geschlachtet (kurd. „Pezguran“, von „Pez“ für Schaf und „guran“ für Schlachten).

Donnerstag ist der erste Festtag. An diesem Tag bleiben die Êzîden die Nacht zum Freitag über wach, was man als „Şevronk“ (dt. „helle Nacht“) oder auch als „Şevberat“ (dt. „Nacht der Versöhnung“) bezeichnet. Während erstere Bezeichnung von den Êzîden aus Nordkurdistan verwendet wird, gebrauchen die Êzîden aus Irakisch-Kurdistan den zweiten Begriff.

An diesem Abend treffen sich die Êzîden um gemeinsam zu tanzen und zu singen. In der Regel werden auch Gebete rezitiert.

Am Donnerstagnachmittag wird das „Xewra Pîralî“[3] gebacken. Ein Brot zu Ehren Pîr Alî. Bei den Êzîden aus Nordkurdistan wird es als „Sewik“ bezeichnet. Die Pîrê aus der Pîrê Pîr Al Gruppe verteilen in der Regel gesegnete Hefe, mit dem dieses Brot hergestellt wird.

Außerdem wird „Mehira Rahb“ hergestellt. Eine Joghurtspezialität, die sich der Christ gewünscht hat, der Pîr Alî zu den êzîdîschen Dörfern begleitete.[4]

Freitag ist der Tag, an dem man sich gegenseitig besucht und sich zum Batizmîfest beglückwünscht. An diesem Tag finden auch die Vorbereitungen für den Abschluss des Festes statt.

Samstag ist der Abschluss des Festes. An diesem Tag werden insgesamt sieben bestimmte Stücke aus der rechten Hälfte des Schafopfers entnommen: sieben Handvoll Rosinen, sieben speziell hergestellte Baumwollkerzen, die mit dem Fett des Opfertieres bestrichen werden und sieben „Sewik“ oder „Xewra Pîralî“. Diese werden vor eine Matte gelegt, auf der symbolisch der Heilige Pîr Alî sitzt. Es wird auch eine Zigarette angezündet und vor die Matte gelegt. Auf der Matte befindet sich außer einem Kopfkissen nichts weiter.

Die sieben Baumwollkerzen werden angezündet. Man streicht mit der Hand über das Feuer und wünscht sich was. Mütter fahren mit ihrer Hand über das Feuer und streichen anschließend, während sie ein Gebet aufsagen, über das Gesicht ihrer Kinder, um Segen und Gesundheit für sie zu erbitten.

Quellen

Chaukeddin Issa, „Das Yezidentum – Religion und Leben“, ISBN: 978-3-98107-514-4

Dr. Khalil J. Rashow, „Pirali und Batizmi“, http://kaniya-sipi.de/gr/pirali-batizmi.pdf, 26.08.2011


[1] Chaukeddin Issa, „Das Yezidentum – Religion und Leben“, Verlag Dengê Êzîdiyan, ISBN: 978-3-98107-514-4

[2] Dr. Khalil J. Rashow, „Pirali und Batizmi“, http://kaniya-sipi.de/gr/pirali-batizmi.pdf

[3] Dr. Khalil J. Rashow, „Pirali und Batizmi“, http://kaniya-sipi.de/gr/pirali-batizmi.pdf

[4] Chaukeddin Issa, „Das Yezidentum – Religion und Leben“, Verlag Dengê Êzîdiyan, ISBN: 978-3-98107-514-4